Architektur

Die Grundkonzeption bei der Umgestaltung

In einem sehr intensiven Dialog mit dem Architekten Prof. Jürgen Otterbein bestand die architektonische Aufgabe bei der Umgestaltung der ehemaligen Universitätssternwarte zu Kiel zunächst in dem, was man heute als „Bauen im historischen Kontext“ bezeichnet. Genauer ging es hier nicht um eine Restauration des Früheren – weder in formaler noch inhaltlicher Hinsicht. Es ging um die Transformation historischer Architektur; einer Symbiose zwischen historischer Bausubstanz und einer neuen Nutzung mit der Formensprache unserer Zeit.

Zitate des Architekten:

Der historische Bestand des Gebäudes

Weitgehend wiederhergestellt wurde die typologische Grundstruktur in Grund- und Aufriss und im Zusammenhang damit die Großräumigkeit im Innern. Der Rhythmus der Fensteröffnungen, Teile der Rundbogenfriese, Putzprofile der Fensterrahmungen und Befunde von Gelbziegelformsteinen wurden erhalten. Die Dachform wurde in ihrer ursprünglichen Strenge wieder aufgenommen und erneut mit schwarzem Schiefer eingedeckt. Der dreigeschossige Mittelrisalit erhielt als historische Reminiszenz an den ursprünglichen Observatoriumsturm einen zeitgemäß gestalteten Belvedere aus Stahl.
In seiner strukturellen Bedeutung besonders herausgearbeitet wurde das auf vier Pfeilern ruhende und sich durch mehrere Geschosse fortsetzende Kreuzgewölbe, das durch seine zentrale Lage im Gebäudekern wie eine Metapher des Himmelsgewölbes aufgefasst werden könnte. Im Dachgeschoss verbleiben nur die jetzt gewölbefrei stehenden Pfeiler so, als ob sie Kontakt zum realen Himmelsgewölbe aufnähmen.

Neue Hinzufügungen

Ohne Übergänge zu verschleifen und mit der Forderung gestern und heute klar zu trennen, wurden Teile ergänzt, ersetzt oder neu hinzugefügt. Die Kunst der distanzierenden Verknüpfung will gerade die Eigenart und den Eigenwert von Architektur verschiedener Epochen erfahrbar machen.
Überall dort, wo Fenster oder Türöffnungen geändert wurden, haben sie statt der weißen Holzfenster schwarz lackierte Metallfenster erhalten.
Den materiellen Fond der Gestaltung im Innern bilden verformungsbelassene weiß verputzte Wände, Decken und Bögen. An nächst wichtiger Stelle treten weiß gelaugte Dielenböden. Kontrapunktisch dazu wählten wir überwiegend schwarz gehaltene Natursteinböden und Fensterbänke. Die schwarz oder weiß lackierten Türen haben Blockzargen und sind durch Fugen in symmetrisch asymmetrischer Komposition gegliedert. Viele der dazugehörigen Beschläge aus V2A wurden eigens entwickelt, da die handelsüblich erreichbaren formal nicht einfach genug waren.
Die Gestaltung des Treppenhauses betont die neu geschaffene Funktion mit der Geländergestaltung und den eingelegten Linoleumstreifen auf den Trittstufen.
Wie bei vielen Details wurden auch die mit Gipskarton verkleideten Dachschrägen durch eine präzise umlaufende Nut von den massiven Wandteilen getrennt.

Innengestaltung, Möbel und Gerät

Bei dem Entwurf der Inneneinrichtung des Mobiliars und des Geräts wurden überwiegend minimalistische Formen gewählt. Weiße und schwarze Oberflächen, das Metallische des Edelstahls, die satten Töne des japanischen Rots der runden Holzstützen, das pompejanische Rot der Badwände und das dunkle Violett der Trennwände schaffen beim Betrachter ausreichende Distanz, um den für die Kunst so wichtigen Spielraum für Fiktives zu schaffen. Beim Design der Sanitärgegenstände, dem Umhüllen technischer Vorrichtungen und Geräte, dem Entwickeln von Leuchten war das Ziel immer die äußerste formale Reduktion. Diese High-Tech Umformungen leben aus dem ponderiertem Gleichgewicht zum fast archaisch-haptischem Umfeld. Viele innenräumliche Konzepte verfolgen ein fast mystisch-symbolisches Paradigma: es ist der Archetyp, die Uridee einer Sache. So bedeuten die dunkel gehaltenen Möbel des Empfangs bildhaft die Eigenschaften einer Klosterbibliothek. Aber es ist eben nur die Erinnerung an das Wesen einer solchen, die sich als Raumeindruck hinterlassen hat und nicht deren konkrete Kopie.
Ein weiteres Beispiel sind die in verschiedenen dunkelvioletten Tönen gehaltenen und damit schwer wirkenden Bürotrennwände im Kontorgeschoß. Sie sollen nichts von der flüchtigen industriellen Beliebigkeit leichter Bürotrennwände haben. Sie erinnern eher an Freskenwände und bilden ein wichtiges strukturelles, konstituierendes Element des Kontors. Bei der überwiegenden Neutralität vom Schwarz und Weiß der Innenraumgestaltung haben wir bewusst zu starken und intensiven Farben gegriffen. Im zweiten Obergeschoß überlagern sich viele private und öffentliche Funktionen. Durch Öffnen zweier dreiflügligen Türen ist es möglich, die gesamte Gebäudelänge zu erleben. Eine Enfilade rot lackierter Rundsäulen und weißplastischer Schornsteinbaukörper ergibt in der Folge dunklerer und hellerer Raumabschnitte eine spannungsvolle Raumkultur.

Die Gestaltung der Außenanlage

Die hier angewandten Prinzipien der Gartengestaltung setzen sich aus mehreren Aspekten zusammen.
Zu Anfang stand die akribische Suche nach historischen Achsen und Bezügen. Es kamen dann neue, später entstandene Achsen und Bereiche hinzu. Beide wurden markiert und künstlerisch sichtbar gemacht.
Es ist heute schwer nachzuvollziehen, welcher Freiraum früher rings um das Gebäude bestand. Durch verschiedene Maßnahmen haben wir versucht, wieder Weite wirksam werden zu lassen. Das geschieht zum einen durch die mehrere Terrains durchschneidenden Achsen. Zum anderen wird die südöstliche, heute verschobene Grundstücksgrenze durch den scharfen Schnitt einer neu gesetzten Mauer verdeutlicht. Gerade in der nach Symmetrie heischenden Hauptfassade wird dieser Konflikt sichtbar.
Wasser stellte in barocken Gartenanlagen kosmische Bezüge her. Im vorderen Teil des Gartens wird das Regenwasser des Daches in der Achse eines ehemaligen Instrumentensteins aus einem quellenartigen Bodesauslass über ein gemauertes Aquädukt in das kreisförmige Wasserbecken geleitet. Durch einen Überlauf speist es eine offene Bodenrinne bis zu einer drei Meter langen massiven Sitzbank. Dahinter verschwindet es in einer Zisterne. Das Ensemble wird südlich von verschiedenen Stelen und vom durch eine Streuobstwiese führenden Aufweg zum Hauptportal flankiert. Im Norden zeugen große Solitärbäume von der einstigen parkähnlichen Größe des Umfelds.

Résumé

Bei der Umgestaltung der ehemaligen Universitätssternwarte zu Kiel gab es die Chance, ein Gesamtkunstwerk zu schaffen. Die Zeit dokumentiert sich in der Offenheit der hinzugefügten Gestaltung und im sichtbar machen der Brüche. Die neue Vorstellung von Funktionalität bezieht systemimmanent auch das Ungeordnete mit ein.
Der Betrachter in seiner Subjektivität bewegt sich im Ensemble und erlebt prozesshaft die vielen Schichten der ehemaligen Sterwarte zusammen mit sorgfältig komponierten abstrahierenden Neuhinzufügungen, die genügend Nährboden für fiktives schaffen.